Gastbeitrag: Ein Welthafen am Wendepunkt

Gastbeitrag von Malte Siegert, Vositzender des NaBu Landesverband Hamburg, zum Thema Hafen.

MS
Verfasst von

Malte Siegert

Malte Siegert ist 1. Vorsitzender des NABU in Hamburg. Der NABU betreut in Hamburg und Umgebung rund 60 Flächen, darunter eine Reihe von Naturschutzgebieten. Darüberhinaus meldet sich das Team um Malte Siegert immer wieder zu aktuellen Themen der Stadt zu Wort. Heute geht es um den Hamburger Hafen.

Am Eingang zu einem der schönsten Täler der französischen Pyrenäen überragt die Kathedrale Notre-Dame de Saint-Bertrand-de-Comminges, ein sakraler Bau gewaltigen Ausmaßes, das ihr zu Füßen liegende 250-Einwohner-Dorf. Das Kirchenschiff ist so riesig, dass es vier Mal so viele Menschen aufnehmen könnte, wie in der kleinen Gemeinde leben. Warum steht hier, mitten im Nirgendwo, eine Kirche dieser Größenordnung? Die Erklärung ist einfach: durch die Entwicklung neuer Wirtschaftswege blieb das Dorf links liegen. Einzige Erinnerung: der monströse, heute deplatziert wirkende Kirchenbau.

Häfen im Wandel der Zeit

So kann es kommen, wenn Zeichen der Zeit nicht erkannt und strategische Entscheidungen zu spät, oder, schlimmer noch, nicht gefällt werden. Über die Jahrhunderte haben sich Verkehrswege durch unterschiedliche Faktoren immer wieder verändert. Ausgebeutete Salz- oder Erzminen oder neue Technologien spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Veränderung politischer Machtverhältnisse. Dadurch verschoben sich stetig viel frequentierte regionale, nationale oder auch länderübergreifende europäische Handelsrouten zu Wasser und Land – oder versiegten unter Umständen völlig.

Vor dieser Entwicklung sind auch international bedeutende Häfen nicht gefeit. Wer weiß noch, dass um das Jahr 1500 die belgische Stadt Gent den bedeutendsten europäischen Hafen beherbergte? Die schwungvolle Entwicklung des Atlantikhandels sowie die Entdeckung alternativer Seerouten nach Asien begünstigte den Aufstieg der iberischen Häfen. Die Vormachtstellung der bis dahin als Welthäfen geltenden Mittelmeerstädte Genua und Venedig war gebrochen. Wegen der Exklusivität umgeschlagener Güter, wie unter anderem teurer Gewürze, entwickelte sich Lissabon im 17. Jahrhundert zu Europas wichtigstem Hafenstandort. Relativ schnell verlor die Stadt am Tejo jedoch wieder an Bedeutung und der Gewürzhandel verlagerte sich zuerst nach Antwerpen, später wurde Amsterdam das neue Handelszentrum. Einen ähnlichen Auf- und Abschwung von Licht und Schatten sowie lediglich temporärem Vorteil geografischer Lage betraf die Häfen von Cádiz und Sevilla. Der Silberhandel mit Mexiko und Peru bescherte den Hafenstädten im 17. und 18. Jahrhundert eine herausragende Stellung im Atlantikhandel, machte sie damit zu den bedeutendsten Hafenstädten jener Zeit. All das ist Geschichte. Einzig stetig war und ist die Veränderung.

Der Container globalisiert den Transport

Zahlreiche Häfen wie Hamburg waren und sind bis in Gegenwart beinah durchgehend bedeutende Umschlagsplätze. Im Gegensatz zum Blick auf historische Welthäfen haben sich Äußeres und Funktionalität von Häfen sowie deren Verhältnis zur Hafenstadt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in vielerlei Hinsicht grundlegend geändert. Dabei spielen weniger geostrategische, machtpolitische oder spezifische umgeschlagene Güter eine bedeutende Rolle, sondern der Siegeszug des Standardcontainers (Twenty-foot Equivalent Unit- TEU). Der veränderte seit Mitte der 1950er Jahre den globalen Handel, den Zuschnitt von Häfen mit Auswirkungen auf Beschäftigung und Ausbildung. Globalisierung und Dezentralisierung von Produktion sowie der nachgelagerte Transport der Waren ist definiert durch die Menge verschiffter und umgeschlagener Container. Vor allem dieser Aspekt- mehr als Schütt- Massen- oder Stückgut- bestimmt gegenwärtig die Wertigkeit bedeutender globaler Seehäfen. Zumindest in der Wahrnehmung.

Tidenhub und Seehäfen

Seehäfen sind im Regelfall großflächige und spezialisierte Areale mit wassernahen Terminalanlagen, deren Schwerpunkt sich heute zumeist außerhalb ehemals maritim geprägter Stadtzentren befindet. Angesichts wachsender Städte und zunehmender Belastung durch Luft, Licht oder Lärm von 24/7-Hafenwirtschaften siedelten viele bedeutende traditionelle Hafenstädte wie London oder Rotterdam zu Beginn des Jahrtausends ihre Häfen, weit entfernt belebter Areale, küstennah auf der grünen Wiese neu an. Oder sie verschwanden, mit wenigen Ausnahmen, aus der Top-Liga internationaler bedeutender Seehäfen. Eine Neuansiedlung sicherte Häfen günstigstenfalls tideunabhängige Zugänglichkeit angesichts rasant wachsender Schiffsgrößen mit entsprechenden Tiefgängen. Mit dem 2012 in Betrieb genommenen Jade-Weser-Port bei Wilhelmshaven verfügt auch Deutschland über einen tideunabhängigen Tiefwasserhafen. Genutzt wird er allerdings gegenwärtig kaum. Und das hat viel mit Hamburg zu tun.

Im Gegensatz zu den ausgelagerten Häfen dicht am offenen Meer geht Hamburg, wie das belgische Antwerpen, andere Wege. Beide Häfen sind von der Stadt umgeben, das Wachstumspotential entsprechend begrenzt. Antwerpen liegt an der Schelde 80 Kilometer im Binnenland und ist nach dem niederländischen Rotterdam der zweitumschlagsstärkste Containerhafen in Europa. Direkt dahinter kommt Hamburg auf Rang drei. Trotz der 120 Kilometer bis zur Elbmündung ist auch Hamburg angesichts der im Hafen mit vier Meter Tidenhub wirkenden Gezeiten ein offener Seehafen. Und trotz Einschränkungen bei Tiefgang und Beladung, machen auch in Hamburg die weltweit größten Containerschiffe mit einer Länge von rund 400 Metern, einer Breite von über 60 Metern und einem potentiellen Fassungsvermögen von bis zu 24 000 TEU an den Kaikanten fest. Ladungsbegrenzung angesichts nautischer Nachteile werden durch andere Kostenvorteile wettgemacht. Denn: jede Meile, die ein Container per Schiff tief ins Binnenland fährt, spart dem Logistiker eine Menge Geld. Per Bahn hundert, per LKW sogar dreihundert Mal so viel. Aber: bleibt das so?

Bestenfalls Worst Case

Auf dieser trügerischen Sicherheit, allein der Kostenvorteil bringe ewiges lineares Wachstum, hat sich Hamburg lange ausgeruht. Die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Hafenwirtschaft haben Mahnungen von Experten beharrlich und vielleicht etwas arrogant ignoriert. Noch 2012 wurden für den Hamburger Hafen im Hafenentwicklungsplan märchenhafte 25 Millionen TEU Umschlag für das Jahr 2025 prognostiziert. Gegenwärtig dümpelt der Umschlag jedoch weit unter 10 Millionen TEU. Diese magische Grenze hat der Hamburger Hafen weder nach der weltweiten Wirtschaftskrise 2008/9 noch vor der Corona-Krise 2020 überschritten, obwohl das weltweite Wachstum in dieser Dekade außergewöhnlich war. Aber wenn nicht in diesem „goldenen Jahrzehnt“, wann dann? Die Nachwirkungen der Covid-19-Krise und die bereits 2014 eingeführten Sanktionen gegen Russland, von denen der Hamburger Hafen mehr als andere Häfen betroffen ist, machen die Situation perspektivisch nicht besser. So kommt ein im Dezember 2020 von der Hamburger Wirtschaftsbehörde veröffentlichtes Gutachten zur Umschlagsprognose mit Horizont 2035 zu dem Schluss, dass im Hamburger Hafen günstigstenfalls rund 14 Millionen Container, im Worst Case nur noch 11 Millionen Container umgeschlagen werden. Die drohende, viel grundsätzlichere Veränderung durch die chinesische Neue Seidenstraße ist in dieser Studie aber noch nicht einmal erwähnt. Es könnte also schlimmer kommen.

In einem im Auftrag der Umweltverbände WWF, BUND und NABU Mitte Mai 2020 publizierten Gutachten des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) kommt deren Chef zu einer ähnlichen düsteren Einschätzung. Henning Vöpel sieht das Potential eher am unteren Ende der Skala, nämlich bei rund 11 Millionen Containern Umschlag. Das nur marginale zukünftige Wachstum, wenn es denn überhaupt eintritt, wird abgesehen von der Corona-Krise oder den Russlandsanktionen auch andere Gründe haben.

Den Spieß umgedreht

Einer ist das erwähnte chinesische Projekt „Neue Seidenstraße“. Die „Belt and Road Initiative“ besteht aus einem Land- und Wasserweg, der China und Europa im Geist von Marco Polo verbinden soll. Dabei endet zukünftig keiner der beiden Stränge mehr in Hamburg. Der Endpunkt für die Land-Container per Bahn, die gut zwei Wochen von China nach Europa benötigen, ist schon heute der große Binnenhafen im nordrheinwestfälischen Duisburg. Während Hamburg traditionell enge Bande mit China pflegt und chinesische Großcontainerschiffe noch nach Hamburg fahren, gehen chinesische Container auf dem Wasserweg aller Wahrscheinlichkeit nach zukünftig vornehmlich im griechischen Piräus über die Kaikante. Dass sich der chinesische Staatskonzern Cosco vor 10 Jahren in den Hafen eingekauft und die Terminalkapazitäten maximal erweitert hat, könnte sich für die Nordrange-Häfen zwischen Le Havre im Süd-Westen und Hamburg in Nord-Osten zur griechischen Tragödie ausweiten. Denn binnen einer Dekade hat der einst unproduktive Hafen von Piräus mit asiatischer Disziplin und zentralistischer Steuerung den Umschlag auf über 5 Millionen TEU verzehnfacht und bereits Bremerhaven hinter sich gelassen.

Parallel arbeiten die umtriebigen Chinesen fieberhaft am „Balkan-Express“, dem Ausbau der Hinterlandanbindung vom Hafen Piräus, einer mit chinesischen Krediten finanzierten Auto- und schnellen Eisenbahnverbindung via Mazedonien und Serbien nach Ungarn. Können die Kredite der Nehmerländer nicht mehr bedient werden- was nicht nur auf dem Balkan, sondern auch bei anderen globalen Beteiligungen der offensiv expandierenden Chinesen vorkommt- fällt die Infrastruktur an China. Es droht, dass sich China, das zunehmend expansiv auftritt, sich quasi durch die Hintertür den Weg von Südeuropa freirammt. Und den Spieß umdreht, wenn die Europäische Union den aggressiv auftretenden Chinesen keine stärkeren Riegel vorschiebt. Denn während der Hamburger Hafen heute über seine Bahnhinterlandanbindung große Teile Osteuropas bedient- unter anderem Polen, Tschechien, Ungarn, das östliche Österreich- werden die Container nach Fertigstellung der Balkan-Route über die Drehkreuze Tschechien und Ungarn zukünftig verstärkt von Süden nach Norden laufen. Oder dort auf Feeder-Schiffe (to feed: füttern), kleinere Zubringer, verteilt. Neben dem Hafen von Piräus verändern ebenfalls die neuen Basis-Tunnel in der Schweiz und Italien durch das Massiv der Alpen die Warenströme. Der See- und Landweg von Asien verkürzt sich erheblich, wenn Großcontainerschiffe nicht mehr die iberische Halbinsel umrunden müssen, sondern in den ebenfalls expandierenden Mittelmeerhäfen von Triest oder Genua festmachen, von wo die Container auf der Schiene ebenfalls gen Norden laufen.

Andere Standbeine, andere Wege

Von dieser Entwicklung profitieren wird allenfalls das erfolgreiche Hamburger Bahnunternehmen Metrans, eine hundertprozentige Tochter der Hamburger Hafen und Logistik AG. Die börsennotierte HHLA, an der die Stadt Hamburg mehrheitlich beteiligt ist, betreibt in Hamburg drei Terminals (CTT, CTA, CTB) und lebt vornehmlich vom Containerumschlag. Deswegen hat sich die HHLA, neben weiteren osteuropäischen Beteiligungen, vorausschauend im Hafen von Triest eingekauft. Und baut, als zweites Standbein, die Bahnaktivitäten mit der Metrans aus. Von Triest ist der Weg kurz ins ungarische Budapest oder ins tschechische Prag, wo Metrans unter anderem Logistikbeteiligungen an Bahn-Hub-Terminals unterhält. Denn dem Bahnunternehmen kann es egal sein, in welche Richtung zukünftig Container auf der Schiene laufen. Den heute noch bedeutenden Seehäfen von Le Havre, Zebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg- den „Nordrange Häfen“, dagegen nicht.

Natürlich werden auch zukünftig große Schiffe nach Nordeuropa fahren. Vor allem aber auch an Hamburg vorbei direkt weiter in die Ostsee, wo polnische Häfen wie Gdynia und Gdansk sowie skandinavische Häfen wie Göteborg oder Stockholm ebenfalls in Kaikanten und Containerbrücken investieren, um für Großschiffanläufe attraktiver zu werden. Diese Entwicklung hängt auch mit dem schleppenden Ausbau des Nord-Ostseekanals (NOK) zwischen Brunsbüttel und Kiel zusammen. Während bisher rund ein Drittel der in Hamburg umgeschlagenen Container über Feederschiffe vor allem durch den NOK Richtung Ostsee transportiert wurden, lassen heute immer häufiger große Schiffe Hamburg links liegen. Sie fahren direkt über das Kattegat ins baltische Binnenmeer. Tendenz: steigend. Bedeutung Hamburgs für den Ostseehandel: fallend.

Genial digital und gestrig gedacht

Auch andere Rahmenbedingen verändern sich rasant. Hört man den Visionären genau zu, wird die Digitalisierung unser Leben so massiv verändern, wie die Einführung des Computers. 3D-Druck vor Ort mit Produktion „on demand“ wird teilweise eine einst als Heilsbringer gepriesene dezentrale globale Produktion von Waren ergänzen, auch Smartphones für 800 Euro weiterhin für umgerechnet 10 Cent Transortkostenanteil am Endkundenpreis über die Weltmeere schippern werden. Trotzdem wird ein Treiber der Veränderung neben der Kosteneffizienz vor allem die Klimakrise sein. Zu deren Bewältigung kann die Digitalisierung von Verkehr und Warenströmen oder der Vertrieb von Ideen und Wissen im World-Wide-Web einen wertvollen Beitrag leisten. Die Digitalisierung verändert die Wahl der Transportmittel in Abhängigkeit vom Produktionsstandort und optimiert die Auslastung der Verkehrsträger Straße und Schiene. Sie verkürzt Transportweiten, reduziert oder vermeidet unnötige Mengen. In Teilen ist das Zukunftsmusik, aber praktisch bereits näher als von den meisten Menschen gefühlt.

Umso bedenklicher, dass der politische Raum nur schleppend dabei ist, Instrumente des 20. Jahrhunderts auszusortieren oder Rahmenbedingungen den Herausforderungen des neuen Jahrtausends anzupassen. In einer Zeit, in der die Digitalisierung vorangetrieben wird, über neue Formen der Mobilität nachgedacht und eine Verkehrswende politisch postuliert wird, plant Hamburg eine Stadtautobahn- die Hafenpassage A 26 Ost. Rund drei Dekaden alt ist die Idee, die an ein lineares Containerwachstum im Hafen geknüpft war. Mit Blick auf die Realität des zukünftig begrenzten Wachstums, die Herausforderungen der Klimakrise und die Chancen der Digitalisierung muss es um weniger Verkehr und Modelle einer Mobilität von Morgen gehen, den Hafen in der Stadt zu entwickeln. Und nicht um altbackende Maßnahmen aus Zeiten, in denen die deutsche Automobilindustrie mit dem maximalen Push des Diesel-Verbrenners das falsche Pferd gesattelt hat.

So ist die geplante 50 Meter hohe Brücke der A 26 Ost, die bei Moorburg die Süderelbe quert, Sinnbild sinnentleerter Infrastrukturpolitik. Gekoppelt an überzogene Umschlagsprognosen im Hafen wurde das Bauwerk auch gigantisch geplant, damit große Kohleschiffe ein Kraftwerk erreichen können, das Mitte 2021 definitiv seinen Betrieb einstellen wird. Der Umschlag fossiler Kohle hat ohnehin keine Zukunft. Jetzt muss es darum gehen, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Da wirkt nicht nur ein bei Wilhelmsburg geplanter Tunnel der Stadtautobahn, der durch die Bebauung von 16 Hektar wertvollem Landschaftsschutzgebiet im Quartier finanziert werden soll, wie eine Vollbremsung auf der Schussfahrt zu wirkungsvollem Klima-, Natur und Artenschutz.

Strom unter Stress

Trotz der absehbaren fundamentalen Veränderungen globaler Lieferketten durch die digitale Revolution, von Produktion und Logistik, hat Hamburg die 9. Elbvertiefung umgesetzt. Politische Plattitüden für eine Verbesserung der in Schieflage geratenen Tideelbe wirken angesichts der bewusst in Kauf genommenen ökologischen Auswirkungen schwer. Einst wertvolle Schlickwattbereiche, die vor allem für Zugvögel als Nahrungshabitate bedeutend sind, versanden. Sensible, ökologisch und ökosystemisch wichtige Uferbereiche erodieren angesichts der Wucht der Welle, die bei Flut machtvoll Richtung Hamburg rollt. So füllen sich die Hafenbecken mit Sedimenten, die durch den immer schwächer werdenden Ebbstrom nicht mehr Richtung Elbemündung ausgetragen werden können. Also hilft nur Baggern gegen die Berge von Sedimenten- Wirtschaftsförderung im Volumen von rund 100 Millionen Euro jährlich. Dabei fließen dringende Mittel zur Reparatur des aus den Fugen geratenen Tideelbesystems nicht oder nur spärlich. Festgeschriebene Ausgleichsmaßnahmen der letzten Elbvertiefung von 1999 wurden bis heute nicht vollständig umgesetzt. Das Ausgleichsdefizit ist keine Ausnahme, eher die Regel. Das zeigt sich ebenfalls am Mühlenberger Loch, das teilweise für die Erweiterung von Airbus zugeschüttet wurde. Auch dieser Eingriff ist Jahre später noch nicht vollumfänglich kompensiert.

Währenddessen bauen in der stetig gestressten Elbe Milliarden von Mikrobakterien im von Unterhaltungsbaggerungen getrübten und durch industrielles Kühlwasser erwärmten Fluss unter dem Verzehr von Sauerstoff organische Stoffe ab. Die Folge: das Sterben der Fische. Der Stint, der einst zahlreiche Hamburger Elbfischer ernährte, ist fast vollständig aus der Elbe verschwunden. Mit ihm verschwanden andere Fischarten sowie der Schweinswal fast vollständig aus dem Mündungsgebiet von deutschlandszweitlängsten Fluss.Bedeutender Seeschwalben-Kolonien brachen ein, deren „Brotfisch“ der Stint ist. Oder besser: war. Alles hängt zusammen, nur keiner will es sehen.

Dabei hätte den Reedern die Verbreiterung der Fahrrinne eigentlich gereicht. Weil die meisten Großschiffe bereits geleichtert aus einem der anderen großen europäischen Häfen nach Hamburg kommen, nutzte auch vor der Umsetzung der 9. Elbvertiefung nachweislich kaum ein Schiff die maximal mögliche Tiefe aus. Tatsächlich wäre es mit den klagenden Umweltverbänden im Jahr der Klage 2012 durchaus möglich gewesen, vor dem Gang zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einen Kompromiss auszuhandeln: Die Begegnungsboxen zur Optimierung bei Ein- und Ausfahrt aus dem Hafen – ja. Eine unnötige Vertiefung, deren Anteil Dreiviertel der insgesamt rund 40 Millionen Kubikmeter zu baggernder Sedimente bedeutet – nein. Gekommen ist es anders. Olaf Scholz, einst Erster Bürgermeister, ging es weniger um Kompromisse als mehr um die Demonstration politischer und persönlicher Durchsetzungsfähigkeit. Gegenüber den Umweltverbänden. Gegenüber der Stadtgesellschaft, aber vor allem gegenüber China. So ist der Erfolg insofern fraglich, weil erst acht Jahre nach Beginn der juristischen Auseinandersetzung die Fahrrinnenanpassung umgesetzt werden kann. Acht Jahre, die Hamburg bei einer früheren optimierten Zugänglichkeit hätte gewinnen können. Dass die Klage der Verbände richtig war, zeigt deren Erfolg im Hauptverfahren und die Reparaturzwänge zahlreicher Defizite der Planung. Mittlerweile ist der Bedarf so überschaubar, dass genau die Option diskutiert wird, die von den Umweltverbänden immer gefordert wurde: eine Hafenkooperation mit dem Jade-Weser-Port (JWP) in Wilhelmshaven.

Hafenkooperation

Denn bereits im Jahr 2000 hatten die Bundesländer Niedersachsen, Bremen und Hamburg vereinbart, einen gemeinsamen Tiefwasserhafen zu betreiben. Ziel: vor allem Hamburg unabhängiger von der Tide zu machen. Die Wahl fiel auf Wilhelmshaven. Zwei Jahre später stieg Hamburg aus dem Projekt aus und beantragte die 9. Vertiefung der Elbe. Die stolzen Hanseaten wollten nicht zum Regionalhafen verzwergt werden, sie wollten Bedeutung behalten. Dass die Schiffsgrößen sich allein in den vergangenen 10 Jahren verdreifachten, konnte dabei niemand ahnen. Und so wundert es auch nicht, dass die für ein Bemessungsschiff von 10 000 TEU konzipierte Vertiefung auf tideunabhängige 13,50 Meter nicht halten kann, was politisch in der Öffentlichkeit suggeriert wird: Zugänglichkeit für vollbeladene Stahlkolosse von 24 000 TEU.

Dass jetzt diese Kooperation der deutschen Seehäfen plötzlich oben auf der hafenpolitischen Agenda ist, zeigt wie stark sich das Marktumfeld bereits grundlegend verändert hat. Die Terminals der teils stadteigenen HHLA sowie das private Terminal von Eurogate in Waltershof haben gegenwärtig Schwierigkeiten, sich im Wettbewerb gegen Antwerpen und Rotterdam, die auf niedrigem Niveau wachsen während Hamburg Marktanteile verliert, zu behaupten. Hohe Preise, mäßiger Service, keine Visionen. Statt zwischen den Bundesländern sinnvolle Synergien zu nutzen und sich gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu stemmen, leisten es sich Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven, jahrelange föderale Befindlichkeiten zu pflegen. Die Not der Hamburger muss groß sein, wenn das Unvorstellbare gedankliche Formen annimmt. Dabei liegt eine enge Zusammenarbeit, sogar eine Beteiligung an Wilhelmshaven, auf der Hand. Denn es geht um die Zukunft des Hamburger Hafens. Für die Transshipment-Anteile wäre der Jade-Weser-Port ein geeigneter Partner.

Was passieren muss

Der Europäische Rechnungshof ECA hatte in einem Gutachten 2017 die Verschwendung von Steuergeldern in eine überdimensionierte Hafeninfrastruktur am JWP kritisiert und dabei auch Hamburgs Rolle kritisch gewürdigt. Eine weitere Milliarde floss zudem in die Fahrrinnenanpassung. Es wäre sowohl gegenüber dem Steuerzahler als auch gegenüber der geschundenen Natur verantwortungsvoll, wenigstens einen gesellschaftlichen Nutzen aus der vor zwei Dekaden angedachten Zusammenarbeit zu ziehen. Sich gegenseitig zu bekämpfen, nutzt der Konkurrenz in den Niederlanden oder Belgien.

Der Hamburger Hafen wird allein durch die in der Metropolregion verbleibenden rund drei Millionen Container weiterhin keine völlig untergeordnete Rolle für Reeder und Logistiker spielen. Ein guter Teil der Boxen, die über Europas leistungsstärkste Bahnhinterlandanbindung abfließen, werden auch zukünftig in Hamburg umgeschlagen. Die Qualität des Hafens jedoch allein am Ladungsaufkommen zu messen, springt vor allem mit Blick auf Zukunftsthemen zu kurz. Reiner und zunehmend automatisierter Umschlag ist weder wesentlich für die Beschäftigung noch für die Wertschöpfung. Die in den Boxen gelieferten Waren zu veredeln, wäre eine Möglichkeit echte Schätze zu heben. Die Fläche im Hafen klüger zu nutzen, eine andere.

Flächenmanagement

Die Pacht pro Quadratmeter beträgt im Hamburger Hafen durchschnittlich rund 3,50 Euro. Pro Jahr! Das motiviert kaum ein Hafenunternehmen, sorgsam mit der auf Jahrzehnte gepachteten, wertvollen Fläche mitten in der Stadt umzugehen. Bevor also im Hafenentwicklungsgebiet Flächen auf der „Grünen Wiese“- wie der Vollhöfner Wald oder Moorburg- für Wirtschaftsentwicklung ins Auge gefasst werden, müssen Möglichkeiten im bestehenden Hafengebiet genutzt werden. Wer offenen Auges durch den Hafen fährt kann sehen, wie viel unzureichend genutzte Areale im Herzen der Hansestadt zu finden sind. Dabei macht Antwerpen vor, wie maritime Start-Ups auf kleinen Flächen ausprobieren können, ob ihr Business-Case funktioniert. „Fliegt“ das Geschäft, ziehen sie um auf größere Areale in attraktivere Gebäude um und neue Start-Ups rücken nach. So hat es Hamburgs direkter Konkurrent geschafft, die auch dort beschränkte Fläche ebenso gewinnbringend zu entwickeln, wie junge Unternehmen mit ihren Geschäftsmodellen.

Dass auch Natur und Wirtschaft kein Widerspruch sein müssen, zeigt der agile belgische Hafen dadurch, dass er beispielsweise für Wasservögel wertvolle Areale mitten im Hafen unter Naturschutz stellt. Neben dem Umschlag von Boxen können Interessierte „Birden“, also mitten im Industriehafen auf interessanten Teich- und Wasserflächen Zugvögel beobachten. Allein die Idee würde vielen Hamburger Hafenwirtschaftlern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Dabei muss es darum gehen, alte Muster aufzulösen. Es muss möglich sein, „Natur auf Zeit“ auf den Flächen zuzulassen, die temporär ungenutzt sind, statt aus Angst vor ökologisch wertiger Entwicklung alles Grün effektvoll wegzugärtnern. Grün im Hamburger Hafen nicht nur zu dulden, sondern immer dann aktiv zu entwickeln, wenn sich die Chance dazu bietet, kann- auch zeitlich begrenzt- wichtige Beiträge zum Erhalt von Artenvielfalt und Lebensräumen oder dem Klima leisten. Denn immerhin vereinnahmt das Hafenareal rund 10 Prozent der gesamten Landesfläche. Die Unternehmen haben, trotz einem hohen Grad an Versiegelung, mehr Möglichkeiten, um ökologische Potentiale auszuschöpfen und zudem eine wachsende gesellschaftliche Verantwortung, mehr Beiträge für das Große und Ganze zu leisten.

Produktion und Wertschöpfung

Über Jahrzehnte sind durch eine zunehmende Automatisierung im Hafen schleichend viele klassische Arbeitsplätze im Hafen verschwunden. Im Vergleich zu Industriestandorten außerhalb des Hafen sind innerhalb pro Hektar ohnehin deutlich weniger Menschen in Lohn und Brot. Deswegen muss das Interesse der Stadt stärker darin liegen, auf freiwerdenden Flächen vorzugsweise nachhaltige Produktionen anzusiedeln, die neben möglichst ökologisch motivierter Wertschöpfung vor allem mehr Beschäftigung garantieren. Das können Unternehmen der maritimen Wirtschaft sein, müssen aber nicht.

Infrastrukturentwicklung

Weil der Hafen kaum noch wächst, muss sich Hamburg beim Bund dafür einsetzen, die Stadtautobahn A 26 Ost - die Hafenquerspange- mit Blick auf die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen auf Moorburg und Wilhelmsburg zu stoppen. Stattdessen soll der Bund die volle Finanzierung von weit über drei Milliarden Euro für den Ersatz der maroden Köhlbrandquerung übernehmen. Zudem soll der Bund, der die Haupthafenroute in den Rang einer Bundesstraße erheben will, dafür den Veddeler Damm entsprechend ausbauen. Dazu gehörte auch, den aus der Planung für Olympia angedachten Tunnelanschluss auf der Veddel an die A 252 zu realisieren. Denn das wäre hinsichtlich Lärm- und Luftbelastung mit Blick auf die Anwohnerinnen und Anwohner der Veddel sowie der zukünftigen auf dem Kleinen Grasbrook dringend geboten.

Auf dem Gelände des Kraftwerks Moorburg steht die Produktion von Wasserstoff zur Rede. Durch die Verstromung von Kohle besteht dort schon ein großes Umspannwerk, das überschüssigen Windstrom vor allem aus Schleswig-Holstein umwandeln könnte. Die Stadt soll diese Idee mit allen planerischen und finanziellen Mitteln vorantreiben. Hamburg kann- auch wenn sich das gegenwärtig noch nicht rechnen mag- sich so als Standort für die Produktion und den Umschlag von Wasserstoff profilieren, der zukünftig eine wesentliche Rolle in der maritimen Wirtschaft aber auch für die klimaneutrale Produktion von Stahl und Aluminium spielen könnte.

Privatwirtschaftliche Pläne, die Containerterminals per Magnetschwebebahn zu verbinden, können ebenso dazu beitragen, die aktuell 3000 Hafenumfuhren per LKW deutlich zu reduzieren, wie die Verlagerung der Boxen auf den Wasserweg. Das sollte möglichst mit elektrifizierten „Wassertaxis“ (z. B. Port Feeder Barge-Konzept), die seit Langem diskutiert werden, realisiert werden. Dazu müssen die Terminalbetreiber- allen voran die teils in städtischem Besitz befindliche HHLA- verpflichtet werden und eigene Interessen zurückstellen. Die Maßnahme ist dazu gedacht, Luftschadstoffe und Klimagase wirkungsvoll zu reduzieren und war bereits nicht umgesetzter Bestandteil des letzten Koalitionsvertrags zwischen Grünen und SPD. Andere internationale Seehäfen wie Stockholm oder die Twin-Häfen Los Angeles / Long Beach erproben erfolgreich das zwischen Reinfeld und Lübeck von Siemens entwickelte eHighway-Konzept ein. Es mangelt also nicht an Möglichkeiten. Aber an Entscheidungen.

Luftreinhaltung

Umgerechnet rund 1500 Menschen sterben in Hamburg jährlich vorzeitig an den Folgen schlechter Luft allein durch die Schifffahrt. Denn die rund 10 000 Schiffe, die Hamburg über 12 Monate anlaufen, verfügen anders als streng regulierte Fahrzeuge auf Europas Straßen, über so gut wie keine Abgastechnik. Sie verbrennen mitten in der Stadt Sprit, der hundert Mal dreckiger sein darf als der des LKW direkt an der Kaikante. Weil Hamburgs offener Seehafen den Regeln der International Maritime Organisation (IMO) unterliegt, kann die Hamburg Port Authority (HPA) internationalen Großschiffen zwar keine zusätzlichen Vorgaben machen. Trotzdem hilft hinsichtlich zukünftig möglicher Abnahme von Landstrom an acht Liegeplätzen für Großschiffe in Hamburg die Abstimmung mit den anderen nordeuropäischen Seehäfen. Mit ihnen müssen Modelle zum Hafengeld optimiert werden, um Reeder zur Investitionen in bessere Abgastechnik oder die verbindliche Abnahme von Landstrom wann immer möglich anzureizen. Denn obwohl Kreuzfahrtschiffe lokal nahe dicht besiedelter Nachbarschaften an der Kaimauer liegen und durchgehend emittieren, produziert die Handelsschifffahrt das eigentliche Gros der Emissionen.

Trotz der Corona-Kreise und der darbenden Kreuzschifffahrt dürfen die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen zusätzlichen Landstromliegeplätze in Steinwerder und der Hafencity für die Meeresgiganten nicht geschoben werden. Obwohl Hamburg bereits einen Bonus für Schiffe gibt, die Landstrom abnehmen oder zumindest Stickoxide durch Katalysatoren reduzieren, böte dieses Werkzeug weitere Möglichkeiten. Dagegen muss die Hafenbehörde die Reduzierung von Stickoxiden, Feinstaub oder Ruß bei Behördenschiffen wie Wasserschutzpolizei, Feuerwehr, HPA-eigenen Schiffen und der HADAG-Fähren vorantreiben. Auch Fahrgastschiffe haben lokal hohen negativen Einfluss, aber kaum Abgasnachbehandlungssysteme. Hier, wie auch beim den Schlepperunternehmen mit ihren extrem starken Motoren, könnte die Verwaltung mehr Vorgaben an die Vergabe der Konzessionen knüpfen. Denn: die durch Atemwegserkrankungen, Herzinfarkte oder sogar Alzheimer ausgelösten Gesundheitskosten trägt aktuell die Allgemeinheit, während dafür die Verursacher bezahlen sollten (polluter pays principle).

Klimapolitik

Die Pläne, den Hamburger Hafen bis 2040 klimaneutral zu gestalten, muss hinsichtlich der technologischen und ökonomischen Chancen gedacht werden und nicht mit Blick auf gegenwärtige ökonomische Belastungen. Wasserstoffwirtschaft spielt dabei eine wichtige Rolle. Aber ebenso die Elektrifizierung aller Terminals sowie der Hafenbahnen. Zudem muss, neben „Wassertaxis“, forciert werden, dass Hafenumfuhren für Container mit fossil betanktem LKW maximal zu reduzieren. Perspektivisch sollen straßenseitig im Hamburger Hafen sowie für die Umlandverkehre E-Trucks eingesetzt werden. Um die gegenwärtigen Verstopfungen auf dem Veddeler Damm und in anderen Bereichen zu vermeiden, muss das durch die Digitalisierung mögliche Slot-Management für die Terminals optimiert und verbindlich gemacht werden. Ziel muss sein, Hafenverkehre grundsätzlich zu vermeiden. Das gilt für den Schwerlastverkehr ebenso wie für den motorisierten Individualverkehr MIV. Weil laut offizieller Nennung rund 150 000 Menschen direkt und indirekt im Hafen beschäftigt sind, kann auch ein verbesserter ÖPNV von und zum Hafen dazu beitragen, die Emissionen im Hafen zu minimieren.

Stadtentwicklung

Der Senat will Stadtentwicklung durch die Bebauung der HafenCity und des Kleinen Grasbrooks befördern. Dadurch produzieren die Verantwortlichen weitere Konflikte angesichts von 24/7-Licht-, Luft- und Lärmbelastung durch Hafenwirtschaften. Wie viel Hafen ist gewollt, wie viel Wohnen gebraucht? Auch deswegen braucht Hamburg eine ehrliche Diskussion über die Zukunft des Hamburger Hafens. Antwerpen hat zur Jahrtausendwende einen gemeinschaftlichen Prozess aller Stakeholder angestrengt, der 2013 erfolgreich abgeschlossen wurde. Landwirte, Logistiker, Terminalbetreiber, Hafenverwaltung, Umweltverbände, die Stadt und weitere Akteure einigten sich über den Hafen der Zukunft. Unter anderem wurden im Interesse aller Flächen getauscht, Verkehrsflüsse optimiert und Wohngebiete besser geschützt. Vielleicht auch ein Grund, warum Antwerpen Hamburg genau in den acht Jahren abgehängt hat, in denen sich der Hamburger Senat in Leipzig selbst blockierte.

Dieser gemeinschaftliche Ansatz, den eine starke Hafenlobby lange Zeit erfolgreich unterlaufen hat, ist angesichts der wahrscheinlichen Entwicklung überfällig. Es gibt Forderungen, große Areale östlich des alten Elbtunnels für den Hafen aufzugeben und einen Puffer zwischen Stadtentwicklung und Hafen einzuziehen. So könnte ein echter „Sprung über die Elbe“ gelingen. Stattdessen könnte ohne eine A 26 Ost die Hohe Schaar nach Abzug von Shell für optimierte Hafenentwicklung innerhalb des Hafens genutzt werden. Solche Idee stoßen auf massiven Widerstand. Über alle denkbaren Modelle muss jedoch gesprochen werden. Denn wenn Hamburg der Hafen und der Hafen Hamburg ist, dann darf nicht eine kleine Gruppe im Hinterzimmer verhandeln, dann muss die Stadtgesellschaft endlich öffentlich beteiligt werden.

Nachhaltigkeit

Hamburg Port Authority hat mit einem Nachhaltigkeitsbericht für die HPA angefangen und koordiniert jetzt einen Nachhaltigkeitsprozess, der den gesamten Hafen unter die Lupe nehmen soll. Das ist die richtige Richtung. Denn die 17 Nachhaltigkeitsziele, zu denen sich auch Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, stehen nicht nur auf dem Papier. Sie müssen gelebt werden, auch im Hafen. Denn Nachhaltigkeit- das Zusammenspiel ökonomischer, sozialer und ökologischer Komponenten- darf in der Abwägung nicht trotzdem weiter zu Lasten der Umwelt gehen wie bisher. Ökodienstleistungen von reiner Luft, sauberem Wasser und möglichst gesunden Böden dort, wie sie auch im und um den Hafen zu finden sind, müssen in ihrem ökonomischen Wert gegengerechnet werden. Denn erst dann stellen sich vermeintliche betriebswirtschaftliche Kosten in einer ehrlichen volkswirtschaftlichen Betrachtung anders dar. Wenn für Hafenentwicklung Grünland oder der Vollhöfner Wald beansprucht werden sollen, müssen Verluste von Lebensräumen und Arten oder die positiven Beiträge eines Moores als maximale CO2-Senke wirklich in Wert gesetzt werden. Wenn die Luft belastet wird, müssen die sozialen Kosten einbezogen werden. Denn erst dann rechnen sich Investitionen, die nachhaltiges Wirtschaften zwangsläufig mit sich bringen.

Die Kirche im Dorf lassen

Dass der Hamburger Hafen das Schicksal der Kathedrale Notre-Dame de Saint-Bertrand-de-Comminges erleiden wird, ist unwahrscheinlich. Aber seine Bedeutung wird und muss sich verändern. Nachhaltiger, klimafreundlicher, sauberer, kooperativer. Je früher die unumkehrbare Entwicklung anerkannt wird, desto eher können alle beteiligten Stakeholder, die direkt und indirekt die Geschicke des Hafens prägen, befeuern oder begrenzen, mit Klugheit und Weitsicht reagieren. Je länger Politik und Hafenwirtschaft dagegen warten und je weniger sie bereit sind, einen breiten Diskurs über auch noch so grundlegende Veränderungen zu führen, desto eher wird der Hafen von der Realität eingeholt. Ohne eine Antworte auf die komplexe Frage zu haben: Quo vadis- portum Hammonia?

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